➔ Klägeranwälte verlieren ihre Prozesse so gut wie alle.
➔ Vergleiche schließt Volkswagen nicht. Es gibt keinen Anspruch auf Schadensersatz.
a. Nach der fast einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass im Motor des Typs EA288 eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut ist.
b. Die Oberlandesgerichte sind sich darin einig, dass Fahrzeuge aus dem Volkswagen Konzern nicht einfach mit Behauptungen ins Blaue hinein unter Generalverdacht gestellt werden dürfen.
c. Die Oberlandesgerichte haben außerdem darauf hingewiesen, dass die Faktenlage klar gegen die Behauptungen der Kläger spricht – insbesondere die Ergebnisse der Untersuchungen des Bundesministeriums für Verkehr (Bericht der Untersuchungskommission „Volkswagen“, S. 12) und die umfangreichen Untersuchungen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) in Form von Messungen und Software-Analysen. Das Fehlen unzulässiger Abschalteinrichtungen in Fahrzeugen mit EA288-Motor hat das KBA in zahlreichen Auskünften bestätigt.
d. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 26. Juni 2023 Urteile in drei Verfahren betreffend Dieselfahrzeuge verkündet, in denen es um die Umsetzung der jüngsten Rechtsprechung des EuGH zu möglichen Ansprüchen von Käufern aus dem europäischen Typgenehmigungsrecht in deutsches Recht ging. In zwei Verfahren (Az. VIa ZR 335/21 und VIa ZR 533/21) waren die Marken Volkswagen und AUDI beteiligt.
- Beide Verfahren wurden vom BGH an die Instanzgerichte zurückverwiesen, die OLG Urteile wurden aufgehoben.
- Der BGH hat sich nicht zur Zulässigkeit von Thermofenstern geäußert.
- Der BGH hat entschieden, dass Kläger bei einem fahrlässigen Verstoß gegen das EG-Typgenehmigungsrecht keinen Anspruch auf Rückerstattung des Kaufpreises haben.
- Der BGH hat keine Feststellungen zum Vorliegen eines Anspruchs auf die Erstattung eines etwaigen Differenzschadens getroffen. Bei Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung ist nach Ansicht des BGH ein Anspruch auf Ersatz eines sog. Differenzschadens i.H.v. 5 bis 15% des Kaufpreises grundsätzlich denkbar. Ob dieser Anspruch vorliegt, müssen die Berufungsgerichte jetzt klären.
- Der BGH hat ausgeführt, dass im Falle eines grundsätzlichen Anspruchs auf Ersatz des Differenzschadens die Berücksichtigung von Nutzungsvorteilen (gefahrene Kilometer), Wert des Fahrzeugs und ein Update den zu ersetzenden Schadensersatz auf Null reduzieren können.
- Nach Auffassung von Volkswagen und AUDI liegen in beiden Fällen die Anspruchsvoraussetzungen für einen Schadensersatz nicht vor, daher sind die Klagen abzuweisen.
- Im Volkswagen Fall scheitert ein Anspruch aus Sicht von Volkswagen bereits daran, dass keine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt. Das KBA-Bundesamt als zuständige Behörde hat umfangreiche Untersuchungen an EA288-Fahrzeugen durchgeführt. Es hält die zur Diskussion stehenden Funktionen für rechtskonform und hat daher keinen Rückrufbescheid wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung erlassen.
- Auch die übrigen vom BGH genannten Anspruchsvoraussetzungen für einen Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens liegen nicht vor. Nach der Zurückverweisung wird das Instanzgericht aus Sicht von Volkswagen feststellen, dass Volkswagen kein Verschulden trifft. Die ersten positiven Untersuchungsergebnisse des KBA zum EA288 Motor lagen schon vor, als der Kläger sein Fahrzeug erwarb. Volkswagen durfte daher davon ausgehen, dass die in dem Fahrzeug verbauten Funktionen zulässig sind. Zahlreiche KBA-Auskünfte bestätigen die Zulässigkeit der Funktionen und führen sogar an, dass auch bei früherer Kenntnis des KBA von den Funktionen keine andere Entscheidung gefallen wäre. Volkswagen unterlag daher einem sog. unvermeidbaren Verbotsirrtum. Die entsprechende Auskunft des KBA zur Fahrkurvenerkennung lautet:
„Die Rechtslage nach Art. 5 Abs. 2 lit c) EG (VO) 715/2007 ist im Übrigen seit dem Jahr 2007 unverändert und die Bewertung der Rechtsfrage, dass die Verwendung einer Fahrkurven- oder Prüfstandserkennung keine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt, wenn auch bei Deaktivierung der Funktion die Grenzwerte in den Prüfverfahren zur Untersuchung der Auspuffemissionen nicht überschritten werden, wäre in 2014 oder 2015 nicht anders ausgefallen als zum heutigen Zeitpunkt.“
Amtliche Auskunft des KBA vom 10. Mai 2022 an die Rechtsanwaltskanzlei pswp
Auskunft des KBA zum Thermofenster:
„Eine Unzulässigkeit solcher Funktionen wurde bei Fahrzeugen mit Aggregat des EA288 – auch unter Berücksichtigung der EuGH-Urteile vom 14. Juli 2022 zur Zulässigkeit von Thermofenstern (C-128/20, C-134-20; C-145/20) – nicht festgestellt.“
Amtliche Auskunft des KBA vom 30. August 2022 gegenüber dem Landgericht Freiburg im Breisgau, Az. 5 O 384/20
- Zahlreiche Oberlandesgerichte haben bereits bestätigt, dass Volkswagen sich in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befunden hat und Ansprüche der Kläger daher scheitern. Das Oberlandesgericht Hamm führt etwa aus: „Insbesondere hält der Senat es deshalb für naheliegend, dass bei der Beklagten anlässlich der Motorentwicklung und Beantragung der Typgenehmigung das Rechtsverständnis vorherrschte, die bei den EA288-Motoren verwendete Emissionsstrategie sei zulässig, weil diese rechtliche Bewertung letztlich auch mit der Beurteilung übereinstimmt, wie sie in der Folgezeit von gerichtlicher und behördlicher Seite vorgenommen wurde.“ (OLG Hamm, Beschluss vom 13. Juli 2023, Az. 13 U 527/21). Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat entschieden: „Das KBA hat nach den von der Beklagten eingereichten Anlagen Auskünfte erteilt, nach denen die Fahrkurvenerkennung in der Motorsteuerung der Aggregate des Entwicklungsauftrags (EA) 288 nach den Untersuchungen des KBA nicht als unzulässige Abschalteinrichtung beurteilt würde […]. Das lässt den Schluss zu, dass das KBA auch der Beklagten bestätigt hätte, dass es sich bei der Fahrkurvenerkennung verbunden mit der Heizstrategie um keine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, weil auch bei ihrem Abschalten die Grenzwerte eingehalten werden […].“ (Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 3. Juli 2023, Az. 10 U 27/23).Im AUDI Fall hat der BGH das Verfahren zurückverwiesen. Aus Sicht von AUDI sind die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens nicht gegeben. Der Kläger hat das Fahrzeug zu einem Zeitpunkt erworben, als die Information zum Rückruf bereits öffentlich bekannt und somit für interessierte Kunden verfügbar war. AUDI hat folglich ausreichende Aufklärungsmaßnahmen getroffen.
Volkswagen und AUDI gehen davon aus, dass die Berufungsgerichte einen Anspruch auf Erstattung des Minderwerts ablehnen werden und erwarten daher eine erneute Klageabweisung zu einem späteren Zeitpunkt.