Die Geschichte von Škoda

1000 MB

Die Öffnung des Eisernen Vorhangs leitete 1989 eine grundlegende gesellschaftliche und ökonomische Transformation ein. Für den Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft schien die Tschechoslowakei mit einer relativ hoch entwickelten Industrie am Besten gewappnet. Aus Sicht des Volkswagen Konzerns eröffnete sich dadurch im Nachbarland nicht nur ein viel versprechender Absatzmarkt. Mit dem tschechischen Automobilhersteller Škoda bot sich auch ein Kooperationspartner für den Sprung in die Zukunftsmärkte Osteuropas an. Die Gründe für ein Engagement beim Staatsunternehmen aus Mladá Boleslav waren vielfältig und gewichtig. Škoda verfügte über eine traditionsreiche Marke, die gerade in den ehemaligen Ostblockstaaten einen großen Bekanntheitsgrad besaß und hohe Absatzzahlen erreichte. Darüber hinaus lieferte der tschechische Hersteller bereits Fahrzeuge nach Westeuropa, und Volkswagen erwartete, dass Škoda seine Position durch Nachbesserungen an der Modellpalette noch ausbauen konnte. Mit den Werken in Mladá Boleslav, Vrchlabí und Kvasiny verfügte das Unternehmen über kostengünstige, für die 1987 angelaufene Produktion des Favorit modernisierte Fertigungsstrukturen, deren Kapazitäten sich problemlos erhöhen ließen. In Kombination mit der gut ausgebildeten und flexiblen Belegschaft brachte Škoda nach Einschätzung von Volkswagen alle Voraussetzungen mit, um rasch ein wettbewerbsfähiges Mitglied des Volkswagen Konzerns zu werden.

UNTERZEICHNUNG DES JOINT-VENTURE-VERTRAGS ZWISCHEN VOLKSWAGEN UND ŠKODA
UNTERZEICHNUNG DES JOINT-VENTURE-VERTRAGS ZWISCHEN VOLKSWAGEN UND ŠKODA

Bei der wirtschaftsliberalen Regierung in Prag stieß die Interessenbekundung des Wolfsburger Unternehmens auf große Resonanz, hatte sie doch 1990 die Überführung staatseigener Unternehmen in Privateigentum eingeleitet. Auch für das industrielle Aushängeschild Tschechiens, einen der größten Devisenbringer des Landes, wurde ein strategischer Partner gesucht. Selbstbewusst trat die tschechoslowakische Regierung in den Verhandlungen mit interessierten Herstellern auf und forderte eine klare Zusage für das Fortbestehen und die Weiterentwicklung von Škoda. Dieses Anliegen griff Volkswagen auf, deckte es sich doch mit den eigenen Plänen für eine zukünftige Positionierung der neuen Marke. Zudem signalisierte Wolfsburg große Investitionsbereitschaft. Insgesamt neun Milliarden DM sollten binnen fünf Jahren in die Modernisierung der Produktionsanlagen und die Ausweitung der Kapazitäten auf ein Jahresvolumen von 400 000 Fahrzeugen fließen. Von hohem symbolischem Wert war darüber hinaus die Zusage, Škoda als vierte Marke mit einer eigenen Modellpalette in den Volkswagen Konzern zu integrieren. Gleichberechtigt mit den anderen Marken sollte der tschechische Automobilbauer dann von Synergieeffekten und Kostenvorteilen des weltweiten Beschaffungs- und Produktionsverbunds profitieren können. Am 9. Dezember 1990 erhielt Volkswagen aus Prag grünes Licht für den Einstieg bei Škoda. Der am 28. März 1991 geschlossene Joint-Venture-Vertrag zurrte die vereinbarten Eckpunkte der Partnerschaft fest. Daraufhin erwarb die Volkswagen Aktiengesellschaft am 16. April 1991 in einem ersten Schritt 31 Prozent der Aktien an der Škoda, automobilová a.s. und übernahm fortan die unternehmerische Kontrolle über die neue Tochter.


Die Tradition des Automobilbaus unter dem Signet mit dem gef lügelten Pfeil reicht ins vorletzte Jahrhundert zurück. 1895 gründeten der Mechaniker Václav Laurin und der Buchhändler Václav Klement die Firma Laurin & Klement, die zunächst Fahrräder herstellte und 1905 mit der Fertigung der Voiturette A in die Automobilproduktion einstieg. Durch die Fusion mit dem Mischkonzern Škoda aus Pilsen entstand 1925 ein neuer, international agierender Automobilhersteller. Die im Unternehmen gebündelte Kompetenz und Finanzkraft war beachtlich: Die Firma in Mladá Boleslav brachte ein hohes Maß an Ingenieurs- und Handwerkskunst ein und verfügte bereits über eine lang jährige Erfahrung im Automobilbau. Škoda, ein in die Sparten Energie-, Transportund Lebensmittelindustrie gegliedertes Unternehmen, besaß im Gegenzug, was Laurin & Klement fehlte: Kapital und Niederlassungen in der ganzen Welt. 

VOITURETTE A VON LAURIN & KLEMENT
VOITURETTE A VON LAURIN & KLEMENT
ŠKODA WERK IN MLADÁ BOLESLAV
ŠKODA WERK IN MLADÁ BOLESLAV
POPULAR
POPULAR

Die Ergebnisse des Zusammenschlusses waren ab 1926 im Werk in Mladá Boleslav greif bar. Neue Produktionsanlagen entstanden, in denen in Fließbandfertigung eine Modellpalette hergestellt wurde, die vom Kleinwagen Typ 110 bis zur Nobelkarosse Typ 350 reichte und alle Fahrzeugklassen abdeckte. Dem wachsenden Erfolg dieser Sparte Rechnung tragend, lagerte Škoda den Automobilbau 1930 in eine eigene Tochtergesellschaft aus. Die anschließenden Krisenjahre vermochte das Unternehmen durch die Einführung vier neuer Modellreihen hinter sich zu lassen. Popular, Rapid, Favorit und Superb standen gleichermaßen für Innovationen im Fahrzeugbau und in der Produktionstechnik. Der Popular, mit Stahlrohrrahmen, Transaxle-Bauweise und Einzelradauf hängung ein technisch fortschrittliches Fahrzeug, wurde bald zum tschechischen Gegenstück zum Volkswagen, während Rapid und Favorit neue Maßstäbe in der Mittelklasse setzten. Mit dem extravaganten und leistungsstarken Superb konnte Škoda zudem ein glänzendes Aushängeschild in der Luxusklasse vorweisen. Die Absatzzahlen belohnten diese mutigen und zugleich wirtschaftlichen Konstruktionen: 1936 erlangte Škoda die Marktführerschaft in der Tschechoslowakei, und auch der Export trug in steigendem Maße zum Unternehmenserfolg bei.

ENDMONTAGE IN MLADÁ BOLESLAV
ENDMONTAGE IN MLADÁ BOLESLAV

Der 1939 beginnende Zweite Weltkrieg setzte eine jähe Zäsur in der Unternehmensentwicklung. Den Reichswerken Hermann Göring zugeschlagen, rückte die zivile Fahrzeugfertigung in den Hintergrund. Stattdessen wurde Škoda in die Kriegswirtschaft eingebunden und produzierte bis 1945 Flugzeugteile, Munition sowie Lkw. 


Die Nachkriegsordnung gliederte die Tschechoslowakei in den sowjetischen Machtbereich ein. Ein konsequenter Umbau der Wirtschaft mit einer weitreichenden Verstaatlichung von Unternehmen begann, in deren Folge der Škoda Konzern 1946 aufgelöst und in verschiedene volkseigene Kombinate überführt wurde. Von der Automobilsparte blieben lediglich die Fabrik in Mladá Boleslav und die Marke Škoda bestehen. Allerdings eröffnete sich auch unter planwirtschaftlichen Vorzeichen eine Perspektive. Die kommunistische Regierung hatte sich die Breitenmotorisierung auf die Fahnen geschrieben und war somit am Fortbestehen des Škoda Werks interessiert. Durch die Ende der 1940er-Jahre erfolgte Eingliederung der Werke Vrchlabí und Kvasiny wuchsen die Kapazitäten wieder, sodass die neuen Modellreihen um 1955 in hohen Stückzahlen produziert werden konnten. Mit dem ebenso formschönen wie verbrauchsarmen Škoda 440 und seinen Derivaten fand das Unternehmen zurück auf die Erfolgsspur. Die Limousine Octavia und das Felicia Cabriolet wurden Exportschlager. Die daraus erzielten Erträge f lossen zurück nach Mladá Boleslav, wo um 1960 der Auf bau moderner Produktionsanlagen begann. Knapp 460 000 Exemplare des Škoda 1000 MB mit Heckmotor liefen hier von 1964 bis 1969 vom Band, von denen mehr als die Hälfte im Ausland abgesetzt werden konnte. 

1000 MB
1000 MB
FELICIA
FELICIA

In den anbrechenden 1970er-Jahren streute die Planwirtschaft zunehmend Sand ins Getriebe des tschechischen Vorzeigebetriebes. Die Exportzahlen bröckelten, da aufgrund fehlender finanzieller Mittel eine Modernisierung der Modellpalette und Werke ausblieb. So basierten selbst die in den 1980er-Jahren vertriebenen Fahrzeuge im Wesentlichen noch auf dem inzwischen veralteten Konzept des 1000 MB. Um dem schleichenden Verfall der Wettbewerbsfähigkeit Einhalt zu gebieten, suchte Škoda nach einem neuen Ideengeber und fand ihn im italienischen Designer Nuccio Bertone. Dessen Entwurf war 1987 bis zur Serienreife gediehen und lief unter dem Namen Favorit vom Band. Der rasante gesellschaftliche Wandel, den die „Samtene Revolution“ in der Tschechoslowakei im November 1989 auslöste, führte Škoda 1991 in die Partnerschaft mit dem Volkswagen Konzern. Die Investitionen und das Know-how aus Wolfsburg wurden dringend benötigt, um auf den dramatischen Einbruch der osteuropäischen Automobilmärkte reagieren zu können. Ein Verlust, der vorerst nur durch ein verstärktes Engagement in West- und Südeuropa zu kompensieren war. Um hier langfristig bestehen zu können, musste sich die Wettbewerbsfähigkeit deutlich verbessern. Der mit diesem Ziel einsetzende Transformationsprozess dauerte bis Mitte der 1990er-Jahre an. Durch Rationalisierungsmaßnahmen verdoppelte sich die Produktivität, ohne einen drastischen Belegschaftsabbau auszulösen. Die Einbeziehung Škodas in den Lieferverbund des Konzerns brachte zusätzliche Kostenvorteile und erstmals positive Jahresergebnisse. Mit dem Auf bau eigener Vertriebsgesellschaften in Deutschland, Polen, der Slowakei und Bosnien-Herzegowina sowie dem Ausbau des Händlernetzes rückte Škoda zudem näher an die Kunden. 


Ein erstes Zeichen für die geglückte Integration in den Wolfsburger Konzern setzte der 1994 vorgestellte Felicia. Das gemeinschaftlich entwickelte Fahrzeug stand den Volkswagen in Sachen Qualität und Technik in Nichts nach und fand international Anklang. Wegen der anhaltenden Rezession in Osteuropa erschien die 1990 avisierte Kapazitätserweiterung auf 400 000 Fahrzeuge pro Jahr gleichwohl unrealistisch, weshalb Volkswagen das Entwicklungstempo verlangsamte. Der im Dezember 1994 geänderte Rahmenvertrag mit der tschechischen Regierung als dem Hauptanteilseigner von Škoda reduzierte das Investitionsvolumen auf insgesamt 3,8 Milliarden DM und die angestrebte Fertigungsmenge auf 340 000 Fahrzeuge jährlich. Davon unbenommen, erhöhte Volkswagen durch die Einbringung von 780 Millionen DM seinen Aktienanteil bis 1995 auf insgesamt 70 Prozent. Am 30. Mai 2000 erwarb das Wolfsburger Unternehmen von der tschechischen Regierung das restliche Aktienpaket und machte Škoda damit zu einer hundertprozentigen Tochterunternehmung.

WERK MLADÁ BOLESLAV
WERK MLADÁ BOLESLAV
OCTAVIA
OCTAVIA
FERTIGUNG IN DER TSCHECHISCHEN REPUBLIK
FERTIGUNG IN DER TSCHECHISCHEN REPUBLIK

Seit 1996 zahlten sich die in den Vorjahren vorgenommenen Weichenstellungen aus. Der neue Octavia symbolisierte für Škoda nicht nur die gelungene Erweiterung der Modellpalette, sondern auch den Beginn einer neuen Ära der Produktionstechnik und -organisation. Die neuen Fertigungsanlagen in Mladá Boleslav setzten zwei wesentliche Strategien des Volkswagen Konzerns beinahe idealtypisch um. Mit der gezielten Unterstützung der lokalen Zulieferindustrie war rings um Mladá Boleslav die notwendige industrielle Infrastruktur vorhanden, um zu einer schlanken modularen Produktion überzugehen. Darüber hinaus garantierte die technische Verankerung des Octavia auf der konzerneinheitlichen Fahrzeugplattform eine hohe Qualität und weitere Kostenersparnisse. Ein gutes PreisLeistungs-Verhältnis, hohe Fahrzeugsicherheit, innovative Technik und gelungenes Design kennzeichneten gleichermaßen den 1999 angelaufenen Fabia und den 2001 vorgestellten Superb. Diese attraktive Modellpalette und die Rentabilität der Standorte Mladá Boleslav, Vrchlabí und Kvasiny boten beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Internationalisierung der Produktion. 2001 nahm Škoda ein Montagewerk in Aurangabad (Indien) in Betrieb. 2003 lief die Fertigung in Solomonowo (Ukraine), 2005 in UstKamenogorsk (Kasachstan) an, wobei die Fabriken im Rahmen einer Kooperation betrieben werden. Zudem hält das tschechische Unternehmen eine Beteiligung an der OOO Volkswagen Group Rus, die im Werk Kaluga seit November 2007 Fahrzeuge mit gef lügeltem Pfeil montiert. Damit übernahm Škoda eine Vorreiterrolle bei der Erschließung wachstumsstarker Zukunftsmärkte in Asien und Osteuropa. 


Von diesem frühen Engagement profitieren inzwischen auch andere Konzernmarken. Im indischen Škoda Werk rollten 2008 auch der Passat und Jetta sowie der Audi A4 und A6 vom Band. Weitere Synergieeffekte erzeugt der Fertigungsverbund in Indien, der im März 2009 durch das neue Volkswagen Werk Pune, in dem neben dem Polo der Škoda Fabia gebaut wird, seine Erweiterung fand. Darüber hinaus erfolgte in China in Anting, Yizheng und Ningbo die Fertigungsaufnahme. Insgesamt beschäftigt das tschechische Unternehmen 2014 fast 25 890 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 


Durch die Erweiterung des Produktangebots um den SU V Yeti, den Kleinwagen Citigo und die zunächst in Indien gefertigte Kompaktlimousine Rapid können die Auslieferungen an Kunden 2014 auf 1,05 Millionen Fahrzeuge gesteigert werden, wobei die Fertigungen in Russland, Indien und China erheblich zum Absatzwachstum beitragen. Der Umsatz beläuft sich auf 11,7 Milliarden Euro, das Operative Ergebnis immerhin auf 817 Millionen Euro. Die traditionsreiche, innovative und ertragsstarke Marke aus Tschechien ist heute ein unverzichtbarer Teil des Volkswagen Konzerns.

Die angegebenen Verbrauchs- und Emissionswerte beziehen sich nicht auf ein einzelnes Fahrzeug und sind nicht Bestandteil des Angebots, sondern dienen allein Vergleichszwecken zwischen den verschiedenen Fahrzeugtypen. Zusatzausstattungen und Zubehör (Anbauteile, Reifenformat usw.) können relevante Fahrzeugparameter, wie z. B. Gewicht, Rollwiderstand und Aerodynamik verändern und neben Witterungs- und Verkehrsbedingungen sowie dem individuellen Fahrverhalten den Kraftstoffverbrauch, den Stromverbrauch, die CO2-Emissionen und die Fahrleistungswerte eines Fahrzeugs beeinflussen. Weitere Informationen zum offiziellen Kraftstoffverbrauch und den offiziellen spezifischen CO2-Emissionen neuer Personenkraftwagen können dem „Leitfaden über den Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionen und den Stromverbrauch neuer Personenkraftwagen“ entnommen werden, der an allen Verkaufsstellen und bei der DAT Deutsche Automobil Treuhand GmbH, Hellmuth-Hirth-Str. 1, D-73760 Ostfildern oder unter www.dat.de/co2 erhältlich ist.